Center for the Study of Language and Society (CSLS)

Center for the Study of Language and Society

Translanguaging - Sinn und Unsinn eines populären Konzepts

Dienstag, 19.11.2019, 16:15 Uhr


Das Forum Language and Society ist eine Reihe von Gastvorträgen zu Themen der Soziolinguistik. Doktorierende der GSAH können sich die Teilnahme als Zuhörende mit 0,25 ECTS pro Vortrag anrechnen lassen. MA Studierende der Soziolinguistik können sich nach Teilnahme an 6 Vorträgen 1 ECTS anrechnen lassen.

Veranstaltende: Forum Language and Society
Redner, Rednerin: Peter Auer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Datum: 19.11.2019
Uhrzeit: 16:15 - 17:45 Uhr
Ort: F005
Unitobler
Lerchenweg 36
3012 Bern
Merkmale: Öffentlich
kostenlos

Begriffe wie "translanguaging" oder "polylanguaging" sind im Augenblick in der Soziolinguistik (besonders deren angewandter Form) sowie in der Zweitsprachpädagogik ausgesprochen erfolgreich. Besonders in den zahlreichen und einflussreichen Publikationen Ophelia Garcías und ihrer Kolleg/innen ist der Begriff mit einer Ablehnung der bisherigen soziolinguistischen Forschung im Bereich der Mehrsprachigkeit und des "Codeswitching" verbunden.

Ich will in diesem Vortrag zeigen, dass diese Ablehnung auf einer äußerst selektiven und in der Summe falschen Darstellung der soziolinguistischen und interaktionalen Forschung zu mehrsprachigen Praktiken in den letzten 40 Jahren beruht. Sowohl mit dem Begriff "translanguaging" als auch mit dem Begriff "codeswitching" wird auf (im Wortsinn) hybride Praktiken verwiesen, die die strikte Zuordnung von Sprachen und Verwendungssituationen unterlaufen. Ich werde anhand von Beispielen aus der "translanguaging"-Literatur zeigen, dass diese Praktiken, auch wenn sie sich jeweils in die sozialen und  politischen Kontexte einbetten und in ihrer sozialen Bedeutung von ihnen beeinflusst sind, formal weitgehend dieselben sind und mit dem hochdifferenzierten Instrumentarium der Bilingualismusforschung der vergangenen Jahrzehnte sehr gut beschrieben werden können.

Ein wesentlicher theoretischer Unterschied liegt allerdings in der Ablehnung des Begriffs der "Sprache" bei García und Kolleg/inn/en. Ich werde argumentieren, dass die Codeswitching-Forschung zwar immer die Gleichsetzung der "codes" mit den (National- oder Standard-)Sprachen abgelehnt und und gezeigt hat, dass diese "Codes" nicht mit den monolingualen Varietäten identisch sind, auf die sie sich beziehen, andererseits aber keine sinnvolle Analyse und Erklärung der Diskursfunktionen von Codeswiching möglich ist, wenn nicht aus der Perspektive der Sprecher getrennte Codes präsupponiert werden. Ich werde anhand von Beispielen zeigen, dass die in der "translanguaging"-Forschung zitierten Beispiele oft dem klassischen Codeswitching entsprechen und Evidenz dafür sind, dass die Sprecher und Sprecherinnen durch Praktiken des Sprachwechsels die Existenz getrennter Sprachen nicht nur voraussetzen, sondern diese auch konstruieren.